taz 20.11.2016 Zwei Anträge auf Durchführung eines Volksbegehrens sind in Berlin derzeit anhängig: die der Initiativen „Volksentscheid Fahrrad“ und „Volksentscheid retten“. Beide verschimmeln seit Monaten in der Senatsinnenverwaltung. Sie muss die vorgelegten Gesetzentwürfe juristisch prüfen, bevor das Abgeordnetenhaus politisch darüber befinden kann.
Die Initiatoren vor allem der Fahrradinitiative sind wütend und sprechen von Sabotage. Denn inzwischen ist ihr sorgfältig ausgetüftelter Zeitplan obsolet, nach dem der potenzielle Volksentscheid am Tag der Bundestagswahlen 2017 hätte durchgeführt werden können. Allein, die Senatsverwaltung darf sich im Gegensatz zum Parlament so lange Zeit zum Prüfen lassen, wie sie will.
Just das zu ändern und eine verbindliche Frist einzuführen ist eine der Forderungen von „Volksentscheid retten“. Und wer sagt’s denn: Die Koalitionäre haben sie erhört. Außerdem, so steht es in ihrer Vereinbarung, soll die Durchführung von Volksentscheiden an Wahltagen (was ausreichend hohe Beteiligung garantiert) zum Standard werden. Man will sogar prüfen, ob die Kosten für Öffentlichkeitsarbeit, die den Initiativen im Zusammenhang mit Volksbegehren und Volksentscheiden entstehen, vom Land teilweise erstattet werden können.
Allerdings fehlen zwei Punkte von „Volksentscheid retten“ völlig: eine Absenkung der Beteiligungsquoren und das „fakultative Referendum“ – ein Instrument, das etwa den HamburgerInnen zur Verfügung steht. Es bedeutet: Wenn die Politik ein unbequemes Gesetz, das per Volksentscheid zustande gekommen ist, wieder ändern oder gar aufheben will, darf das Volk darüber mit einem Extra-Entscheid abstimmen. So weit ist Berlin offensichtlich noch nicht.
Hier zum Artikel „Sabotage war gestern“ in der taz v0n Claudius Prößer