Volksbegehren vorzeitig abgebrochen

Die Initiative Volksentscheid Retten nimmt den Abbruch des Volksbegehrens durch vier Vertrauenspersonen zur Kenntnis. Diese haben durch ein Schreiben an die Senatsverwaltung das Volksbegehren beendet und damit die 58.000 UnterstützerInnenunterschriften des Antrags auf Einleitung des Volksbegehrens zurückgezogen.

Es gab in der Initiative, der Trägerin des Volksbegehrens, keine Mehrheit für einen vorzeitigen Abbruch, da dieser mit vielen Nachteilen verbunden ist .

Hintergrund des eigenmächtigen Vorgehens der Vertrauenspersonen ist die angekündigte Überprüfung des Gesetzentwurfs der Initiative durch das Berliner Landesverfassungsgericht. Den sofortigen Widerspruch der Initiative wies die Senatsverwaltung ab, da die Rücknahme des Antrags auf Einleitung des Volksbegehrens durch die Vertrauenspersonen unwiderruflich sei.

Auch wenn der Zeitplan des Volksbegehrens durch die 9-monatige Prüfung bereits ausgehebelt war, wollte die Initiative das Verfahren fortführen um die vom Senat vermuteten Verfassungswidrigkeit des Gesetzentwurfs durch das Landesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. Da die verfassungsrechtliche Klärung durch das Gericht nicht stattgefunden hat wäre jeder erneute Anlauf  für dieses Volksbegehren wieder mit demselben Risiko verbunden, den anvisierten Zieltermin (dann Bundestagswahl 2021) nicht zu erreichen.

 

Hintergrund.

Das Volksbegehren „Volksentscheid Retten“
(1) Das Volksbegehren „Volksentscheid Retten“ will die Art. 62 und 63 der Verfassung von Berlin ändern. Volksentscheide sollen verbindlicher, machbarer und fairer werden. Insbesondere sollen Quoren gesenkt und das fakultative Referendum (Einspruchsreferendum eingeführt werden: Wenn das Parlament ein per Volksentscheid verabschiedetes Gesetz ändert, können Bürger innerhalb von 4 Monaten mit 50.000 Unterschriften einfordern, dass über diese Änderung per Volksentscheid entschieden wird.

Die Initiative „Volksentscheid Retten“
(2) Die Initiative „Volksentscheid Retten“ ist die Trägerin des Volksbegehrens „Volksentscheid Retten“. Sie stellte den Antrag auf Einleitung des Volksbegehrens am 07.07.2016 mit knapp 58.000 UnterstützerInnenunterschriften.
(3) Die Initiative trifft sich wöchentlich bzw zwei-wöchentlich zum Teamtime, in dem die gemeinsame Willensbildung stattfindet. Zum Teamtime wird mit Tagesordnung eingeladen, diese erfolgt über einen Verteiler, in den sich Interessierte über die Webseite der Initiative eintragen können. Zum Teamtime kommen seit April 2016 zwischen 10 und 30 Personen. Laut Abstimmungsgesetz §16 bestimmt die Trägerin des Volksbegehrens (Initiative) zu Anfang des Verfahrens fünf Vertrauenspersonen, die Erklärungen für die Initiative gegenüber der Verwaltung abgeben können.

Überlange Prüfung durch den Senat hebelt Zeitplan aus.
(4) Gemäss Abstimmungsgesetz § 17 prüfte die Senatsverwaltung für Inneres und Sport das Volksbegehren auf Zulässigkeit. Statt der üblichen 1-2 Monate dauerte die Prüfung über neun Monate seit dem Antrag auf Einleitung des Volksbegehrens am 7. Juli 2016. Anfang April 2017 übermittelte die Senatsverwaltung der Initiative eine 14-seitige Mitteilung in der sie unterstellt, dass das im Gesetzentwurf der Trägerin vorgeschlagene fakultative Referendum (bei Veränderung oder Aufhebung von Volksentscheiden durch das Abgeordnetenhaus) nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Insbesondere vermutet die Senatsinnenverwaltung, dass die Funktionsfähigkeit des Abgeordnetenhauses eingeschränkt würde, wenn ein dort beschlossenes Gesetz nicht sofort in Kraft treten könne. Darüber hinaus wird in dieser Mitteilung auch das Demokratieprinzip und das unbestimmte Konzept eines „Identitätskerns“ der Verfassung gegen den Gesetzentwurf der Initiative ins Felde geführt. Mehrere von der Initiative konsultierte StaatsrechtlerInnen haben die Mitteilung als parteiische Positionsnahme der Verwaltung gegen den Volksgesetzgeber bewertet.

Überprüfung der von der Senatsverwaltung behaupteten Verfassungswidrigkeit findet nicht statt
(5) Auch wenn der Zeitplan des Volksbegehrens durch die 9-monatige Prüfung bereits ausgehebelt war, wollte die Initiative das Verfahren fortführen um die vom Senat behauptete Verfassungswidrigkeit des Gesetzentwurfs durch das Landesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. Das Berliner Landesverfassungsgericht hätte aus dem Verfahren des aktuellen Volksbegehrens eine verfassungsrechlichte Klärung darüber herstellen können, wie ein praktischen Ausgleichs zwischen Volks- und parlamentarischem Gesetzgeber hergestellt werden kann. Mit dem Abbruch ist diese Möglichkeit vertan. Das Gericht hat seit 2008 hat eine Reihe von Urteilen zu den verschiedensten Volksbegehren gesprochen, die die direkte Demokratie in Berlin substantiell weiterentwickelt haben. So wurde beim Wasser-Volksbegehren geurteilt, dass das öffentliche Interesse Vorrang vor Geheimverträgen hat. Beim Kita-Volksbegehren legte das Gericht fest, dass auch Volksbegehren zu haushaltsrelevanten Themen möglich sind. Die Verwaltung hatte all das damals zuvor angezweifelt.

Erneuter Anlauf daher unwarscheinlich.
(6) Da die verfassungsrechtliche Klärung nicht stattgefunden hat und davon auszugheen ist, dass die Senatsverwaltung ihre kritische Position gegenüber dem Gesetzentwurf nicht verändern wird, wäre jeder erneute Anlauf  für dieses Volksbegehren wieder mit demselben Risiko verbunden wegen der zusätzlichen Überprüfung durch das Landesverfassungsgerich den anvisierten Zieltermin (dann Bundestagswahl 2021) nicht  zu erreichen. Wegen der hohen Quoren für verfassungsändernde Volksentscheide (Verfassung von Berlin, Art 63 (2) Satz  2)  müssen Initiativen diese zwingend auf einen Bundestagswahltermin ausrichten um Aussicht auf Erfolg zu haben.

 

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